Zeiserlfang

Leider haben wir keinen Alternativtext zu diesem Bild, aber wir arbeiten daran.

Der Betzensteiner Zeiserlfang –
oder wie die Betzensteiner den Beinamen „Zeiserlfänger“ erhielten

In früheren Zeiten war es Brauch, dass sich die Bewohner benachbarter Orte gegenseitig durch Andichten von Schildbürgerstreichen neckten. So entstand auch der Betzensteiner Zeiserlfang, der noch heute bei vielen Festlichkeiten aufgeführt wird.

Kunigund, die altjungferliche Haushälterin des Betzensteiner Pflegers hielt sich – aus Ermangelung eines Gatten – einen Zeisig. Dieser entkam eines Tages und die arme Kunigund grämte sich so sehr, dass der Amtmann alle Bürger samt Feuerwehr auf den Plan rief, das entflohene Tier zu fangen. Als dies nicht gelingen wollte, kam das Stadtoberhaupt auf die vermeintlich rettende Idee, die Stadttore schliessen zu lassen, um ein Entkommen des Vogels zu verhindern. Dieser jedoch erkannte das Vorhaben, erhob sich in die Lüfte und ward verschwunden. Kunigund konnte den Verlust nicht verwinden und ging ins Kloster.

Seither haben die Betzensteiner den schönen Beinamen “Zeiserlfänger”.


Im folgenden die Geschichte in Gedichtform, aufgeschrieben von Dr. Michael Werner

Es hielt des Pflegers Kunigund
nach alter Jungfer Weis´ sich,
weil keinen Mann sie kriegen kunnt,
dafür den schönsten Zeisig.

Mit Hänschen kost´ sie früh und spat,
tractierte ihn mit Küssen,
gab Zucker ihm und Kopfsalat
und sonst´ge Leckerbissen.

Doch schnöder Undank war ihr Lohn;
trotz aller Lieb´ und Pflege
flog eines schönen Tag´s davon
der Zeisig dem Gehege.

Zu Tod betrübt schlich Kunigund´
in ihre stille Kammer,
sie weinte sich die Äuglein wund
in unsagbarem Jammer.

Dem Amtmann war die G´schicht fatal,
er war kein Freund von Thränen,
er wittert einen Gichtanfall,
wie stets bei solchen Scenen.

Er sprach: Ich biete auf die Stadt
zu fangen deinen Zeisig
und ruhe nicht, bis man ihn hat,
so wahr der Pfleger heiß ich.

Als nun im Städtchen ward bekannt
die traurige Geschichte,
kam alles, groß und klein, gerannt,
zu fangen nach dem Wichte.

Mit Gabeln, mit dem Netze der,
mit Stecken, Stangen, Stricken,
mit Maus-, mit Dachsfallen, mit Gewehr,
mit Besen und mit Krücken.

Es rückte an die Polizei
mit hochgeschwung´nem Sabel,
mit ihrem Huckelkorb herbei
eilt selbst die alte Wabel.

Es kam die Feuerwehr im Lauf
mit Leiter und mit Spritze,
ja selbst die Bürgergard´ zog auf,
der Schneider an der Spitze.

Der Wächter stoß mit Macht ins Horn,
daß schier die Häuser wackeln;
kurz überall, so hint wie vorn,
man hört ein laut Spektaceln.

Der Zeisig hüpft von Mist zu Mist,
sucht Würmer sich und Fliegen
und freut sich voll arger List,
daß man ihn kunnt nicht kriegen.

Ins Rathaus rief der Schultheiß nun
der Stadt hochweise Väter,
daß man berate was zu thun
gen diesen Mißethäter.

„Ihr wißt, des Amtmanns Töchterlein
ist ob der Flucht des Zeiserl
gar tiefbetrübt und obendrein
der Amtmann aus dem Häuserl"

„Bringt man das schlaue Viech durch List
nicht zum Capitulieren
fürwahr, ihr Herrn, als dann ist
uns nicht zu gratulieren."

Drum strengt eure Köpfe an,
besinnt euch recht fleißig,
wie und auf welche Weise man,
erwischen könnt den Zeisig.
Sie sannen hin und sannen her
beinahe dritthalb Stunden,
der Kopf war ihnen müd´ und schwer
- ein Rat ward nicht gefunden. Der Zeisig hüpft von Mist zu Mist,
sucht Würmer sich und Fliegen
und freut sich voll arger List,
daß man ihn kunnt nicht kriegen.

Da endlich, hub der Schultheiß an,
rückt hoch zuvor die Brille,
nahm eine mächt´ge Pries sich dann -
im Kreise ward es stille.

„Hört meine Red´ und meinen Rat!
Damit es uns nicht, ihr Herren,
das Viech entwische aus der Stadt -
Laßt uns die Thore sperren!

Dann rücken wir ihn auf den Leib
und zwar ganz systematisch,
damit ihm ja kein Ausreis bleibt.
Das, mein ich, wäre practisch."

Erstaunen faßt den stummen Kreis
ob dieser Weisheit Fülle,
dann folgte Beifall, anfangs leis,
dann lautes Hochgebrülle.

Man schloß die Sitzung auf der Stell
und eilte aus dem Rathaus,
der Stadttorwächter kriegt Befehl,
zu führen in die That aus
des Schultheiß klugen Schlachtenplan,
die Thore zu verrammeln,
zu sperren und die Leute dann,
in Haufen zu versammeln.

Nun an ein Kesseltreiben ging´s,
in Worte nicht zu kleiden!
Von hint´ und vorn, von rechts und links,
kurzum von allen Seiten!

Das war dem Zeisig doch zu bunt!
Fürwahr vor lauter Schrecken
blieb ihm ein Würmchen, fett und rund,
beinah im Halse stecken.

Er schwang sich auf von seinem Mist,
flog über Thor und Hallen.
Erfreut ob der gelung´nen List,
ließ er noch etwas fallen.

Da sperrte alles Aug und Mund
und reckte Hals und Köpfe,
man sagt noch heut, von jener Stund´
datiern die vielen Kröpfe.

Das ganze Ratskollegium
fiel platthin auf den Nabel,
ihm däucht´ dies ein Mysterium
und äußerst admirabel.

Zuerst erhob sich aus dem Dreck
des Bürgermeisters Gnaden.
„Fürwahr, ihr Herrn, mir fuhr der Schreck,
gehörig in die Waden."

„Jetzt ist die Sach´ mir klar, wie was,
daß uns das Vieh konnt uzen,
weil in der Eile man vergaß
die Flügel ihm zu stutzen".

Und Kunigund? - der armen Maid
erschien die Welt nun trostleer,
sie kaufte sich ein schwarzes Kleid
und ging ins Nonnenkloster.

Der Zeisig ist wohl längst krepiert,
doch sind noch da die Misten,
die überall, der Stadt zur Zierd´
ihr duftend Dasein fristen.

Wie allbekannt im ganzen Land
sind nun die Betzensteiner
die Zeiserlfänger zubenannt
- doch hören darf es keiner!