Pflegamtsschloss

Ehemaliges Pflegamtshaus, „Pflegschloss“, Schlossstraße 13

Bis 1553 waren die Nürnberger Ämter Stierberg und Betzenstein vereint und wurden, da die Burg Betzenstein 1420/21 ruiniert worden war, von Stierberg aus verwaltet. Nach der Zerstörung Stierbergs logierte die Reichsstadt ihren Pfleger in einem angekauften Bürgerhaus am Betzensteiner Marktplatz ein. Dieses Haus wurde 1572 der Stadt als Rathaus geschenkt, während der Pfleger in das Anwesen des Hans Völkl zog. Erst 1668 wurde der Bau eines Pflegamtshauses geplant. Die Reichsstadt erwarb hierzu das in der nordwestlichen Stadt gelegene Anwesen eines Bernhard Schaumberger. Hier wurde 1669/70 dann das neue Pflegschloss gebaut, dessen Baugeschichte im Detail noch nicht erforscht ist. Bei Umbauten um 1905 erhielt das zweigeschossige Gebäude einen Südgiebel mit Stilelementen der Neorenaissance. Im 20. Jahrhundert befand sich das Pflegschloss einige Zeit im Besitz der Kommune, die es auch als Schulhaus nutzte. Heute befindet sich das Pflegamtsschloß in privaten Händen und wird als stilvolles Landhotel betrieben.

Quellen
StAN Rst. Nbg., Landpflegamt, Pflegamt Betzenstein, Rep. 30b, fol. 126r, Nr. 6.


Literatur
KDM Pegnitz, S. 85 f.

Dannenbauer, S. 220-222.

Die wechselvolle Geschichte des Betzensteiner Pflegschlosses

Das Betzensteiner Pflegschloss wurde in den Jahren 1669/70 von der Reichsstadt Nürnberg als Herrschaftssitz errichtet. Die Pegnitzstadt hatte im Zuge des Landshuter Erbfolgekrie-ges (1503-1505) Landbesitz in und um Betzenstein erhalten. Zur Wahrnehmung der Nürnberger Rechte lebte seitdem ein Verwalter in der kleinen Stadt, dieser war Mitglied einer Nürn-berger Patrizierfamilie – wie beispielsweise den Geschlechtern Ebner, Schürstab, Tucher, Kreß und Imhoff. Zu dem so genann-ten Pfleger brachten die Nürnberger Untertanen ihre Abgaben. Außerdem konnten sie sich im Falle eines Rechtsstreits an diesen wenden, da er auch die richterliche Gewalt ausübte. Der Pfleger selbst wohnte mit seiner Familie im Pfleghaus.Notwendig wurde der Neubau im Jahr 1669, da der alte Nürn-berger Amtssitz stark einsturzgefährdet war. Äußerst spärlich ist der Aktenbestand über den Bau des Pflegschlosses, da die entsprechenden Archivalien nicht überliefert sind. Die grundlegendsten Informationen über das in den Formen der Spätrenaissance errichtete Pflegschloss sind in einem bau-geschichtlichen Gutachten der Bamberger Restauratoren Schuller&Spitzner zusammengefasst. Demnach handelt es sich hierbei um einen zweigeschossigen, massiv aus Sand-steinquadern gemauerten und verputzten Satteldachbau. Die Hauptfassade wurde in südöstlicher Ausrichtung angelegt. Das Kellergeschoss, welches nicht mit dem Erdgeschoss verbunden ist, ragt zur Hälfte aus dem Boden heraus und erstreckt sich über mehrere auf unterschiedlichem Höhenni-veau – teilweise untereinander angeordnete – Bereiche. Die ersten Spatenstiche für das Betzensteiner Pflegschloss erfolgten im August 1669. Wegen des schlechten Zustandes des alten Gebäudes war jetzt Eile geboten. Im Februar des Jahres 1669 musste Johann Sebastian Tucher, der damalige Pfleger, das Haus durch etliche Säulen und Hölzer stützen. Zu diesem Zeitpunkt war ungewiss, wie lange er noch darinwürde wohnen können. Tucher hatte daher schon alles Not-wendige für den Neubau vorbereitet. Beispielsweise lagerte er einen Großteil der Baumaterialien bereits seit dem Frühjahr in Betzenstein. Aus welchen Steinbrüchen und Wäldern die Rohstoffe herangezogen wurden, bleibt offen. Zahlreiche weitere Informationen, wie die Namen der Handwerker, die Zahl der Arbeitsstunden und die Baukosten liegen ebenfalls im Dunklen der Geschichte verborgen. Nur einige wenige Details sind überliefert. So ist beispielsweise bekannt, dass der Rat der Stadt Nürnberg ausnahmsweise den Betzensteiner Fronarbeitern einen Tagelohn von sechs Kreuzern, statt den sonst üblichen vier Denar zahlte. Die Ratsherren wollten damit den Bau beschleunigen. Offenbar mit Erfolg, denn im Januar des Jahres 1670 waren die Arbeiten so weit fortgeschritten, dass die Fenster eingesetzt werden konnten. Auch in den folgenden Monaten ging es zügig weiter. Zum Abschluss ließen die Nürnberger die Zahl 1670 in einem zentral über der Eingangstür zu findenden Stein einschlagen. Hier ist das Jahr der Errichtung zusammen mit einem Nürnberger Wappen abgebildet und macht damit heute noch für jeden sichtbar, dass das von der Pegnitzstadt gebaute Pflegschloss im Jahr 1670 bezogen wurde.Bedauerlicherweise sind über die Ereignisse der folgenden Jahre als Wohn- und Amtssitz des Pflegers nur wenige Dinge überliefert, weshalb an dieser Stelle ein großer Sprung in der Geschichte des Pflegschlosses gemacht wird. Wir gehen in das Jahr 1806, ein Jahr in dem es zu weitreichenden politischen Veränderungen im ganzen deutschsprachigen Bereich kam. Im Zuge dessen verlor Nürnberg den Status einer Reichs-stadt. Der ganze Nürnberger Besitz – und damit auch das Betzensteiner Pflegschloss – ging an das Königreich Bayern über. Unter dem bayerischen König Maximilian I. und seinem Minister Monteglas erfolgte eine völlige Neustrukturierungder Verwaltung. Ziel der Reformmaßnahmen war es, ein räumlich wie rechtlich geschlossenes bayerisches Staatsge-biet zu schaffen. Bisher bestand in Franken territorialpolitisch betrachtet eine Art Flickenteppich: Zahlreiche kleinere und größere Herrschafts-träger reagierten hier als eigene „Staaten“. Die bayerische Integrations- und Reformpolitik hatte zur Konsequenz, dass eine Reihe kleinerer Ämter aufgehoben wurde. Auch Betzen-stein verlor seine Stellung als Amtssitz. Das Pflegschloss stand nun zunächst leer. 1811 verkaufte es der bayerische Staat an den Betzensteiner Bürger Georg Andreas Thummert. Eine Entscheidung welche die bayerischen Beamten bald wohl bitter bereuten, denn schon zehn Jahre später suchten sie in Betzenstein nach einem als Schulhaus geeigneten Gebäude. Das Pflegschloss wäre gerade zu diesem Zeitpunkt als solches leicht umzufunktionieren gewesen. Das alte Schulhaus bot nicht mehr genügend Raum für alle Betzensteiner Mädchen und Buben. Hintergrund war, dass sich im Laufe des 19. Jahr-hunderts die Kindersterblichkeit im europäischen Bereich verringerte. So erreichten auch immer mehr Betzensteiner das schulfähige Alter. Die Quellen berichten von unzumutbaren Unterrichtsbedingungen in Betzenstein. Demnach hätten im Jahr 1826 der Lehrer und sein Gehilfe gleichzeitig in einem Zimmer 169 Kinder unterrichtetet. Zwar darf man die dama-ligen Klassengrößen nicht mit den heutigen Verhältnissen vergleichen, aber auch für das 19. Jahrhundert waren das zu viele Schüler auf einen Lehrer, weshalb die bayerischen Beamten bereits in den 1820er Jahren darüber diskutierten, ob man nicht einen Teil der Schüler im alten Pflegschloss unter-bringen könne. Es dauerte aber noch etwa zehn Jahre, bis dies erfolgte, denn erst seit dem Jahr 1837 nutzte man einen Raum im alten Pflegschloss für den Schulunterricht. Aus heutiger Sicht mag es verwundern, dass so viel Zeit verging, bis sich die Betzensteiner Situation verbesserte. Ein ausschlaggebender Grund für die schlechten Unterrichtsbedingungen war ein über das ganze 19. Jahrhundert währender Streit zwischen dem bayerischen Staat und der Stadt Betzenstein über die Finanzierung neuer Schulräume. Ein Aspekt, der hier leider nicht ausreichend vertieft werden kann.Auch diese provisorische Lösung war nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die Zahl der Schüler stieg weiter. So besuchten 1851 etwa 230 Mädchen und Buben – verteilt aufzwei Klassen – die hiesige Schule. Seit dem Jahr 1862 nutz-ten die Lehrer daher einen weiteren Raum im Pflegschloss für den Schulunterricht und im Jahr 1872 kaufte der Fiskus schließlich das Gebäude, um es anschließend als Schulhaus umzubauen. Dieser viel zu spät erfolgte Kauf konnte die Raumprobleme nur kurzzeitig lösen. Das 1873 bezogene Pflegschloss bot bereits 1876 nicht mehr hinreichend Platz, um alle Kinder aufzunehmen. Hinzu kam, dass für eine zusätzliche Lehrkraft ein eigener Wohnungsbereich im Pflegschloss geschaffen werden musste. Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Unterrichts-räume viel zu klein, das königlich bayerische Landbauamt forderte daher Umbaumaßnahmen. So sollte ein vierter Unterrichtsraum zusammen mit einer neuen Lehrerwohnung entstehen. Ungeklärt blieb wieder die Finanzierungsfrage, die schon in der Vergangenheit die Entscheidungen verzögert hatte und sich auch jetzt über mehrere Jahre hinzog, während das Gebäude zunehmend verfiel. 1932 wurde der Fiskus zur Instandsetzung verpflichtet. Der Zustand des bereits 1925 dringend renovierungsbedürftigen Gebäudes hatte sich wäh-rend des Rechtsstreits erheblich verschlechtert. So drang beispielsweise durch die teilweise gefaulten und abgefallenen Dachbretter Regenwasser in den Dachstuhl. Ersetzt werden mussten fast alle Fenster. Mehrere Glasscheiben waren zer-brochen oder hatten Risse. Im November 1941 äußerten die Beamten starke Zweifel an dem Sinn weiterer Baumaßnah-men, denn egal wie sich diese gestalten, es handle sich nur um ein Flickwerk. Schulisch und wirtschaftlich sei die einzige Alternative ein Neubau. Angesichts der kriegerischen Ereignis-se des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) verschob sich dieser jedoch auf unbestimmte Zeit. Am 17. September 1945 erfolgte die Wiederaufnahme des Schulbetriebes. Vorausgegangen waren nur die absolut not-wendigsten Instandsetzungsmaßnahmen. Durch die im Krieg einquartierten Flüchtlinge und Soldaten der deutschen und amerikanischen Wehrmacht war das Gebäude stark bean-sprucht. Unabhängig davon bestanden ja die bereits in der Vorkriegszeit aufgeführten Mängel unverändert fort. So wun-dert es nicht, dass die Stimmen für einen Neubau immer lauter wurden. 1964 begannen endlich die Bauarbeiten für eine neue Schule, die 1966 bezogen werden konnte. Das nicht mehr benötigte Pflegschloss gelangte 1974 in Privatbesitz. Zunächst erwarb es ein Ehepaar aus Nürnberg und nutzte es bis 1990 als Wohnhaus. Nach deren Verkauf lassen sich mehrere Eigentümer ermitteln, die verschiedene Nutzungs-konzepte entwickelten diese jedoch nur teilweise – und ohne Rücksichtnahme auf die historische Bausubstanz – umsetzten. In den 1990er Jahren wollte ein „Investor“ das Pflegschloss in Wohneigentum aufteilen. Bei diesen Umbauarbeiten ent-standen irreparable Schäden im Innenraum. Aufgrund der Insolvenz des „Investors“ mussten die Arbeiten von heute auf morgen eingestellt werden. Bei einem anschließenden Frostschaden mit Wasserrohrbruch im Dachgeschoss liefen etwa 40 Kubikmeter Wasser durch das Haus und führten versicherungstechnisch zu einem Totalschaden des Gebäudes. Im Jahr 2004 kaufte eine Familie aus Nürnberg das Pflegschloss. Der ehemalige Amtssitz und seine Nebengebäude wurde denkmalgerecht saniert und zu einem Landhotel umgebaut.

Auszug aus einem Aufsatz von Frau Dr. phil. Annett Haberlah-Pohl zur Erforschung der Geschichte des Pflegamtschlosses Betzenstein, 2011.